Wenn die Bindung verloren geht und die Beziehung zerbricht

In einer Zeit, in der Beziehungen unter dem ständigen Druck von externen Erwartungen und internen Missverständnissen stehen, bietet mein neuer Blog-Beitrag tiefe Einblicke in die schleichenden Prozesse, die eine einst feste Bindung allmählich zerbrechen lassen…

Dieser Blog-Beitrag nimmt uns mit auf eine Reise durch die subtilen, aber zerstörerischen Dynamiken, die beginnen, wenn die emotionale Unterstützung zwischen Partnern nachlässt und führt uns durch die Eskalation von Konflikten, die durch Angst vor Bindungsverlust angetrieben wird, bis hin zur endgültigen Phase der Desillusionierung und Trennung.

Die renommierte Psychologin Sue Johnson, eine führende Expertin auf dem Gebiet der Emotionsfokussierten Therapie (EFT), hat in ihrer bahnbrechenden Arbeit drei entscheidende Phasen identifiziert, die den schrittweisen Zerfall einer Beziehung kennzeichnen.

Diese Phasen bilden das Gerüst ihres Ansatzes, um zu verstehen, wie und warum Partnerschaften selbst in Abwesenheit von offensichtlichen Krisen - wie Untreue oder traumatischen Ereignissen - auseinanderbrechen können.

Phase 1: Fehlende emotionale Unterstützung

Die erste Phase ist dabei durch das Fehlen emotionaler Unterstützung gekennzeichnet. In dieser Phase, wo die emotionale Unterstützung ins Wanken gerät, erleben Paare oft eine schleichende Distanzierung, die das Fundament ihrer Bindung erodieren lässt. Sie wird geprägt durch eine Reihe von Verhaltensmustern, die, obwohl vielleicht gut gemeint, in Wirklichkeit die Verbindung zwischen den Partnern schwächen.

Dazu gehört zum Beispiel das Herunterspielen von Problemen. Ein Partner mag mit einer Sorge oder einem Bedürfnis an den anderen herantreten, nur um festzustellen, dass seine ernsthaften Anliegen nicht die erwünschte Beachtung oder gar eine ernsthafte Betrachtung finden. Diese Tendenz, die Tragweite von Problemen zu minimieren, schafft eine Atmosphäre, in der sich einer oder beide Partner unsichtbar und unverstanden fühlen.

Ein weiterer kritischer Punkt ist die Entmutigung beim Ausdrücken von Gefühlen. Statt eines sicheren Raumes für offene und verwundbare Kommunikation stoßen emotionale Offenbarungen auf Widerstand oder sogar Ablehnung. Dies untergräbt das Vertrauen und die Offenheit, die für die tiefe Verbindung in einer Partnerschaft essentiell sind.

Hinzu kommt das vorschnelle Anbieten von Ratschlägen oder Lösungen, ohne dass ein echtes Verständnis für die Komplexität des Problems oder die emotionalen Bedürfnisse des anderen entwickelt wurde. Diese unbedachte Art der 'Hilfe' kann das Gefühl verstärken, nicht wirklich gehört oder gesehen zu werden.

Das Insistieren auf der Umsetzung dieser unbedachten Empfehlungen verstärkt nur die Spannungen.

Dabei stellen positive Unterstützung und gegenseitige Wertschätzung die allerwichtigsten Faktoren für das Gelingen jeder Beziehung dar. Ohne diese Säulen der emotionalen Verbundenheit beginnen die Fundamente der Beziehung zu bröckeln, was den Weg für weiterführende Konflikte und Missverständnisse ebnet.

Phase 2: Eskalation von Konflikten und Angst vor Bindungsverlust

Durch das Fehlen von positivem, intimen und unterstützenden Austausch wird die Bindung zwischen den Partnern nach und nach schwächer. Wir interpretieren den Mangel an Aufmerksamkeit und Wertschätzung als Gefahrensignal und sind selbst immer weniger bereit, unserem Partner/unserer Partnerin Aufmerksamkeit und Wertschätzung zu geben.

In weiterer Folge führt die Angst vor dem Bindungsverlust in der zweiten Phase regelmäßig zur Eskalation von Konflikten. Negative Verhaltensmuster in Form von Kritik, Fordern und Rückzug zerstören schließlich jedes Gefühl von emotionaler Sicherheit, das Paar kommt aus dem „emotionalen Gleichgewicht“, Bindungspanik macht sich breit und die Konsequenz sind noch mehr Wut oder defensives Erstarren, denn die Schutzreaktionen des einen Partners, stellen für den anderen wiederum ein Gefahrensignal dar. 

Sue Johnson schreibt, dass die beiden Schutzreaktionen Kritik und Mauern (siehe auch meinen Blog-Beitrag “Die Vier apokalyptischen Reiter” das schlimmste Gift für jede Beziehung sind. Es gibt keine konstruktive Kritik, sagt auch der amerikanische Psychologe John Gottmann, denn jede Kritik ist schmerzlich und löst in uns die Angst vor Zurückweisung aus. Und diese Angst führt dazu, dass unser Partner/unsere Partnerin die Botschaft hinter der Kritik gar nicht wahrnimmt, sondern sofort in die Defensive geht und sich zurückzieht.

Phase 3: Desillusionierung und Trennung

Das Ganze entwickelt eine Eigendynamik, wie ein Strudel, der das Paar immer weiter nach unten zieht. Wenn die beiden es nicht schaffen, ihre Muster zu erkennen und zu durchbrechen, sich weiter gegenseitig die Schuld geben, kritisieren und mauern, statt wieder aufeinander zuzugehen, dann zerbricht die Bindung letztendlich.

Die dritte Phase bezeichnet das Endstadium der Beziehung, Desillusionierung und Verzweiflung machen letztendlich eine Trennung meist unvermeidlich.

Anzeichen rechtzeitig erkennen

Basierend auf den Forschungsergebnissen von John Gottman und den Prinzipien der Emotionsfokussierten Therapie (EFT) von Sue Johnson, lassen sich verschiedene Anzeichen identifizieren, die auf Probleme in einer Beziehung hindeuten können.

Für jede Phase habe ich einige Fragen formuliert, die Sie sich vielleicht selbst stellen möchten, um zu beurteilen, ob diese Aspekte auf ihre Beziehung zutreffen.

Diese Reflexionsfragen können helfen, Problembereiche in Ihrer Beziehung zu identifizieren und rechtzeitig gegenzusteuern.

Phase 1: Fehlende emotionale Unterstützung

    • Empfinden wir manche Themen als „tabu“, weil wir denken, dass sie vom Partner heruntergespielt werden?

    • Fühlen wir uns beide in der Lage, unsere Sorgen ohne Angst vor Herabsetzung zu äußern?

    • Gibt es Situationen, in denen wir das Gefühl haben, unsere Probleme werden nicht ernst genommen?

    • Wie reagieren wir, wenn unser Partner uns von seinen/ihren Problemen erzählt?

    • Ermutigen wir einander aktiv, über alles zu sprechen, was uns belastet?

    • Fühlen wir uns sicher, unsere Gefühle offen und ehrlich miteinander zu teilen?

    • Gab es Momente, in denen einer von uns seine Gefühle zurückgehalten hat, aus Angst, nicht verstanden zu werden?

    • Wie reagieren wir, wenn der Partner negative Emotionen wie Traurigkeit oder Angst zeigt?

    • Unterstützen wir uns gegenseitig dabei, Gefühle nicht nur zu äußern, sondern auch zu verarbeiten?

    • Erkennen wir die Gefühle des anderen an, auch wenn wir sie nicht nachvollziehen können?

    • Kommt es vor, dass wir versuchen, Probleme schnell zu lösen, anstatt einfach zuzuhören?

    • Wie oft bieten wir Lösungen an, ohne zu fragen, ob der Partner in diesem Moment Rat sucht?

    • Fühlt sich einer von uns durch vorschnelle Lösungsvorschläge missverstanden oder übergangen?

    • Reflektieren wir, ob unsere Ratschläge wirklich hilfreich sind oder ob wir damit nur unsere eigene Hilflosigkeit kaschieren wollen?

    • Ermutigen wir uns gegenseitig dazu, eigene Lösungen zu finden, statt voreilig zu beraten?

    • Fühlen wir uns frei, Lösungsvorschläge des Partners anzunehmen oder abzulehnen?

    • Gibt es Konflikte, weil einer von uns erwartet, dass der andere seine/ihre Ratschläge befolgt?

    • Wie gehen wir damit um, wenn unsere vorgeschlagenen Lösungen nicht angenommen werden?

    • Respektieren wir die Autonomie und Entscheidungsfreiheit des Partners in Problemlösungsprozessen?

    • Gibt es einen Raum für Diskussionen über unterschiedliche Ansätze zur Lösung unserer Probleme?

 

Phase 2: Eskalation von Konflikten und Angst vor Bindungsverlust

    • Neigen wir dazu, Kritik aneinander zu üben, anstatt Wünsche oder Bedürfnisse auszudrücken?

    • Wie oft fühlen wir uns vom Partner kritisiert oder überfordert?

    • Unterscheiden wir zwischen konstruktivem Feedback und destruktiver Kritik?

    • Haben wir Strategien entwickelt, um unsere Bedürfnisse auf eine nicht-kritische Weise zu kommunizieren?

    • Wie reagieren wir, wenn wir uns durch die Worte oder Taten des anderen kritisiert fühlen?

    • Ziehen wir uns zurück, wenn Konflikte entstehen, statt sie anzugehen?

    • Wie oft empfinden wir einen Mangel an emotionaler Nähe oder Verbindung zueinander?

    • Gibt es Situationen, in denen der Rückzug eines Partners den anderen verletzt oder frustriert hat?

    • Wie können wir sicherstellen, dass wir uns nicht aus Konflikten zurückziehen, sondern gemeinsam Lösungen suchen?

    • Erkennen wir die Momente, in denen wir oder unser Partner sich emotional distanzieren, und versuchen wir, dagegen anzugehen?

    • Sind wir in der Lage, unsere Ängste vor Bindungsverlust offen zu besprechen und gemeinsam anzugehen?

    • Haben wir das Gefühl, dass unsere Angst vor Verlust oder Trennung unsere Reaktionen auf Konflikte verstärkt?

    • Wie oft enden unsere Diskussionen in hitzigen Auseinandersetzungen ohne Lösung?

    • Gibt es Muster in unseren Streitigkeiten, die auf eine tieferliegende Bindungsangst hinweisen?

    • Wie beeinflusst die Furcht, den anderen zu verlieren, unsere Fähigkeit, konstruktiv zu kommunizieren?

 

Phase 3: Desillusionierung und Trennung

    • Erkennen wir, wann unsere Reaktionen (wie Rückzug oder Kritik) dem Partner schaden, anstatt die Beziehung zu schützen?

    • Können wir spezifische Situationen identifizieren, in denen unsere Schutzmechanismen aktiviert werden und negativ auf die Beziehung wirken?

    • Wie gehen wir mit dem Wissen um, dass bestimmte Verhaltensweisen giftig für unsere Beziehung sind?

    • Haben wir Strategien, um mit unseren defensiven Reaktionen umzugehen, bevor sie die Beziehung weiter schädigen?

    • Sind wir bereit, unsere Schutzmechanismen zu hinterfragen und durch gesündere Verhaltensweisen zu ersetzen?

    • Fühlen wir uns emotional voneinander entfernt, und wenn ja, können wir die Gründe dafür identifizieren?

    • Gibt es wiederkehrende Vorwürfe oder Kritikpunkte, die wir nicht auflösen können?

    • Wie hat sich die Qualität unserer Kommunikation über die Zeit verändert, und spiegelt sie eine zunehmende Distanz wider?

    • Inwiefern tragen unsere eigenen Verhaltensweisen zur wachsenden Entfernung bei?

    • Welche Schritte können wir unternehmen, um die Distanz zu verringern und uns wieder anzunähern?

    • Spüren wir eine allgemeine Hoffnungslosigkeit bezüglich der Zukunft unserer Beziehung?

    • Gibt es Momente, in denen wir glauben, dass eine Trennung unvermeidlich ist?

    • Wie oft fühlen wir uns desillusioniert, sowohl persönlich als auch in Bezug auf unsere Partnerschaft?

    • Inwieweit haben wir versucht, unsere Probleme zu lösen und sind dabei gescheitert?

    • Was könnten wir tun, um aus dem Zustand der Desillusionierung herauszutreten und unserer Beziehung eine neue Perspektive zu geben?

Diese Fragen können außerdem Paare dazu anregen, tiefgründige Gespräche über ihre Beziehung zu führen und Bereiche zu identifizieren, in denen sie möglicherweise Unterstützung oder Veränderung benötigen. Das Ziel ist es, durch diese Selbstreflexion einen Weg zu finden, die Beziehung zu stärken und wieder mehr Verbundenheit und Verständnis füreinander zu entwickeln.

Indem Partner lernen, ihre emotionalen Bedürfnisse offen zu kommunizieren, negative Kommunikationsmuster zu erkennen und zu durchbrechen und sich wieder positiv aufeinander zu beziehen, können sie die Bindung wieder langfristig stärken und hoffentlich die Beziehung retten.

Quelle:  S. Johnson, Liebe macht Sinn

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