Über Bilderbuch-Beziehungen und andere Prägungen

Die in meinem letzten Blog-Artikel beschriebenen Bindungstheorie machen deutlich, dass die Art und Weise, wie wir als Kinder geprägt werden, später auch die Art, wie wir unsere Beziehungen als Erwachsene leben, stark beeinflusst. Darüber hinaus hat unsere Prägung auch Einfluss auf das was wir in Partnerschaften suchen, die Wahl des Partners bzw. der Partnerin, unsere Erwartungen an selbige und letztendlich auch darauf, was wir selbst bereit sind in einer Beziehung zu geben.

Leider sind, wie bei der Beschreibung der unsicheren Bindungstypen schon deutlich wurde, nicht all diese Programmierungen in unseren Gehirnen für unser Beziehungsglück förderlich.

Die Art und Weise wie uns unsere Hauptbezugspersonen in der Kindheit ihre Liebe zeigen, beeinflusst unsere späteren Beziehungen wesentlich.

Waren unsere Eltern besonders herzlich und fürsorglich, werden wir genau dieses Verhalten später auch bei unserem Partner oder unserer Partnerin suchen. Haben wir zum Beispiel von Klein auf viele Lob und Anerkennung erhalten, wir es uns einerseits vermutlich leichtfallen, wertschätzende Worte für andere zu finden, andererseits werden wir Selbiges wahrscheinlich auch in unserer Partnerschaft suchen.

Aber nicht immer führen unsere Eltern und andere vermeintliche Vorbilder Bilderbuchbeziehungen.

Wie unsere Verhaltensmuster entstehen

Einige von uns haben keinen liebevollen Umgang zwischen Partnern vorgelebt bekommen, keinen Respekt füreinander, keine gegenseitige Anerkennung, keine wertschätzende Kommunikation.

Nichtsdestotrotz übernehmen wir unbewusst die Verhaltensweisen unserer Eltern, weil wir vielleicht als Kinder nichts anderes kannten und vielleicht auch in unserer kindlichen Naivität und Unbefangenheit nicht abschätzen konnten, wie gut oder schlecht die Beziehung zwischen Vater und Mutter tatsächlich war. So entstehen unter anderem auch Muster wie Manipulation, Anklagen, Vorwürfe, emotionale Erpressung oder andere strafende Verhaltensweisen, die eben nicht förderlich für unsere Beziehungen sind.

Ganz zu schweigen von Glaubenssätzen, Werten und Rollenbildern wie die Frau gehört an den Herd, Gefühle sind für Weicheier, Männer weinen nicht, die Frau muss sich unterordnen, und so weiter und so fort, die wir aus unseren Kindheitstagen mitschleppen und die es im Erwachsenenalter aufzuspüren, zu hinterfragen und bei Bedarf auch über Bord zu werfen gilt.

Viele von uns erleben in der Kindheit auch einen Mangel an Aufmerksamkeit, Enttäuschungen, Einsamkeit, Unverständnis, Kritik, Leistungsdruck, etc. Durch diese unbefriedigten Bedürfnisse kann eine Lücke entstehen, die wir im Erwachsenenleben versuchen zu schließen. Diese Suche nach Bestätigung und Aufmerksamkeit im Außen spiegelt den tiefen Wunsch wider, die emotionalen Bedürfnisse zu erfüllen, die in unserer Kindheit unberücksichtigt blieben. Die Heilung solcher Wunden erfordert mehr als nur die Suche nach externer Anerkennung; sie verlangt nach der Etablierung sicherer und liebevoller Beziehungen, in denen wir uns verstanden, geschätzt und eng verbunden fühlen.

Der Weg zu erfüllenden Beziehungen führt also über die Selbstreflexion und das Bewusstsein unserer kindlichen Prägungen. Durch das Erkennen und Verstehen unserer tiefsten Bedürfnisse können wir beginnen, alte Muster zu durchbrechen und bewusst Beziehungen aufzubauen, die nicht nur unsere Sehnsucht nach Aufmerksamkeit stillen, sondern auch ein gesundes, ausgeglichenes Zusammenleben ermöglichen.

And they lived happily ever after!?

Haben wir erst einmal unsere Programmierungen erkannt und neu sortiert und den passenden Bindungstypen gefunden, leben wir aber hoffentlich glücklich bis ans Ende unserer Tage, oder etwa nicht?

Ich denke leider, dass es eine Illusion ist, dass wir irgendwann und irgendwo einfach auf jemanden treffen, der unser exaktes Gegenstück ist und wir dann für immer verliebt bleiben und in ständiger Harmonie zusammenleben.

Wir sind keine Puzzleteile, die auf Anhieb perfekt ineinanderpassen. Man muss sich schon ein ganz klein wenig biegen und anpassen, Kompromisse eingehen, immer wieder aufeinander zugehen, an der Beziehung arbeiten, sich vom Partner oder der Partnerin neue Tanzschritte beibringen lassen und einen gemeinsamen Rhythmus finden.

Und nein, das geht nicht immer von heute auf morgen und auch nicht immer mit Leichtigkeit.

Und selbst wenn das gelungen ist, ist das kein Garant dafür, dass es immer so bleibt. Nicht umsonst liegt die Scheidungsrate in Österreich immer noch bei fast 40 Prozent.

Der Teufelskreis

In vielen Beziehungen gehören Forderungen, gegenseitige Kritik, endlose Streitereien oder auch hartnäckiges Schweigen leider irgendwann zur Tagesordnung. Die Theorie über die Bindungstypen und unsere daraus resultierenden Muster, helfen uns jedoch zu verstehen, dass viele Probleme in Beziehungen auf die Furcht vor emotionaler Loslösung zurückzuführen sind. Wir streiten wegen den unwichtigsten Kleinigkeiten wie den Haushalt, weil wir in Panik geraten, wenn wir das Gefühl haben, dass wir die wichtigste Person in unserem Leben verlieren könnten. Während manche auf diese Angst mit Rückzug reagieren, werden andere immer fordernder ihrem Partner/ihrer Partnerin gegenüber.

In Wahrheit sind viele dieser Verhaltensweisen nichts weiter als ein Schrei nach Aufmerksamkeit, ein Versuch unsere Bezugsperson oder später unseren Partner/unsere Partnerin dazu aufzurufen oder sogar dazu zu zwingen, die emotionale Verbindung wieder aufzunehmen.

Leider bewirken sie in einer Beziehung meist das Gegenteil, beide ziehen und zerren in unterschiedliche Richtungen und nach und nach entfernt sich das Paar immer weiter voneinander. Die Einstimmung aufeinander geht zunehmen verloren und damit auch die emotionale Zugänglichkeit und die Sensibilität im Umgang miteinander.

Beide suchen die Schuld dafür beim jeweils anderen, was mit großer Wahrscheinlichkeit zu noch mehr Konflikten führt. In weiterer Folge werden die Partner verletzlicher und ihr Bedürfnis nach emotionaler Bindung nimmt wiederum deutlich zu. Die langsame Auflösung der Bindung beginnt.

Gary Chapman, Begründer der 5 Sprachen der Liebe, beschreibt das ganz gut mit dem Liebestank, der immer leerer und leerer wird. Je leerer der Tank, desto schwerer fällt es uns, auf die Bedürfnisse unseres Partners einzugehen und ihm zu geben, was er braucht. Die gegenseitigen Enttäuschungen häufen sich, Zeichen der Liebe und Anerkennung gibt es immer weniger. Unsere Liebste/unser Liebster erscheint uns schließlich immer mehr als Feind, der oder die ehemals engste Vertraute wird plötzlich zu einer fremden Person. Es gibt keinen Gleichklang mehr, keine Musik, keinen Tanz, keine Beziehung.

Wie ein Beziehungscoaching oder eine Paarberatung helfen kann

Wenn es erst einmal so weit gekommen ist, dass wir unseren Partner/unsere Partnerin als Feind und nicht mehr als Verbündeten sehen, ist es für die meisten Paare schwer, wieder ohne Unterstützung aufeinander zuzugehen. Durch individuell zugeschnittene Strategien und Techniken bietet eine Paarberatung oder ein Beziehungscoaching Paaren die Möglichkeit, wieder Verständnis füreinander zu entwickeln, Kommunikationsmuster zu verbessern und Konflikte konstruktiv zu lösen.

In einem geschützten Rahmen können Sie gemeinsam lernen, Bindungsängste zu überwinden, emotional näher zusammenzurücken und ein solides Fundament für die Zukunft zu bauen. Wenn Sie bereit sind, die Liebe und Harmonie in Ihrer Beziehung wieder zu beleben und sich gegenseitig neu zu entdecken, dann ist jetzt der perfekte Zeitpunkt, den ersten Schritt zu machen!

Quelle: S. Johnson, Liebe macht Sinn

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