Wie Bindungsmuster entstehen und was das für unsere Partnerschaft bedeutet

Im letzten Blog-Beitrag habe ich bereits über die wesentliche Rolle der Bindung für uns Menschen geschrieben. Bindung bedeutet, eine intensive emotionale Beziehung zu einer Bezugsperson zu haben und gehört neben Autonomie und Kontrolle, Lustbefriedigung und Unlustvermeidung, sowie Anerkennung zu unseren emotionalen Grundbedürfnissen.

Mutter und Kind

John Bowlby, ein britischer Psychiater und quasi der Vater der Bindungstheorie, forschte zu den Auswirkungen beeinträchtigter Bindungen von Kindern zu ihren Eltern oder vergleichbaren Bezugspersonen auf die emotionale und soziale Entwicklung.

Er kam zu dem Ergebnis, dass die Trennung von geliebten Menschen, den Kindern die emotionale Nahrung entzieht und für die Psyche genauso schädlich ist, wie Unterernährung für den Körper.

Zusammen mit der kanadischen Psychologin und Wissenschaftlerin Mary Ainsworth konkretisierte er seine Ideen und Ergebnisse noch weiter, und gemeinsam stellten die beiden schließlich die Theorie zu den unterschiedlichen Arten von Bindung zwischen Kindern und ihren Hauptbezugspersonen auf.

Das Bindungstypen wurde dabei in Tests eruiert, bei denen die Mutter aufgefordert wurde, ihr Kind in einem Raum mit einer fremden Person allein zu lassen, um dann nach kurzer Zeit wieder zurückzukommen. Vielleicht haben Sie davon schon einmal gehört?

Anhand der Reaktion des Kindes beim Verlassen und Wiederkehren der Mutter schlossen die Wissenschaftler dabei auf das jeweilige Bindungsmuster des Kindes. Bowlby und Ainsworth identifizierten dabei drei unterschiedliche Bindungstypen, die später von Mary Main, Judith Solomon und T. Barry Brazelton um einen vierte Kategorie - die desorganisierte Bindung – ergänzt wurde.

Vereinfacht gesagt entstand durch diese Forschungsarbeit die Theorie, dass je nachdem wie viele positive oder negative Erfahrungen wir in unserer ersten Beziehung, nämlich der zu unseren Eltern, machen, wir mehr oder weniger Grundvertrauen in uns selbst und andere Menschen entwickeln. Wichtig ist dabei zu verstehen, dass es nicht darum geht, festzustellen ob jemand eine glückliche Kindheit hatte oder nicht, denn das ist sowieso eine sehr subjektive Angelegenheit und jeder von uns hat in seiner Kindheit auch schlechte oder traurige Erfahrungen gemacht. Der Fokus liegt vielmehr darauf zu erkennen, welche Prägungen aufgrund der Summe der Erfahrungen bei uns entstanden sind. Für ein menschliches Neugeborenes hängt schlichtweg das Überleben davon ab, wieviel Aufmerksamkeit und Zuwendung es von seiner Hauptbezugsperson bekommt. Deshalb hinterlässt eine Vernachlässigung in unseren ersten Lebensmonaten und -jahren besonders tiefe Furchten und beeinflusst viele von uns ein Leben lang.

Aber auch wenn im Normalfall durch die Erfahrungen in unserer Kindheit ein Bindungsstil vorherrscht, können wir manchmal auf alternative Strategien ausweichen, wenn wir uns im Umgang mit bestimmten Personen zum Beispiel besonders sicher fühlen. Aber im nächsten Schritt möchte ich erst einmal die vier unterschiedlichen Bindungstypen und ihre Charakteristika vorstellen.

 

Die vier Bindungstypen

Eine sichere Bindung entwickelt sich, wenn wir in dem Vertrauen und der Gewissheit aufwachsen, dass unsere wichtigsten Bezugspersonen verlässlich verfügbar und zugänglich sind. Kinder mit einer sicheren Bindung lernen Nähe zu suchen, wenn sie sie brauchen und vertrauen darauf, dass sie, wann immer notwendig, Trost und Fürsorge erhalten.

Ein unsicherer Bindungsstil hingegen entsteht bei Kindern, deren Hauptbezugspersonen in ihren Reaktionen unvorhersehbar oder unbeständig waren, die vernachlässigt oder sogar missbraucht wurden.

Hier wird unterschieden zwischen unsicheren/ängstlichen, vermeidenden oder desorganisierten Bindungstypen, deren jeweiliges Verhaltensmuster automatisch zu tragen kommt, wenn der/die Betroffene selbst oder später auch sein/ihr Partner/ihre Partnerin, Nähe brauchen.

Sichere Bindung

Für sicher gebundene Menschen sind Nähe, jemand andere zu brauchen und gebraucht zu werden etwas durchwegs Positives. Sie quälen sich nicht ständig mit der Befürchtung, betrogen oder verlassen zu werden. Sie gehen auf ihren Partner/ihre Partnerin zu und sind offen für Nähe und die Bedürfnisse ihres Gegenübers. Die Strategien eines sicheren Bindungstypen sind in der Regel sehr effektiv und helfen ihm/ihr dabei, Stress auszuhalten und positive Bewältigungsmechanismen zu stärken.

Unsichere/Ängstliche Bindung

Wird die Hauptbezugsperson als unzuverlässig erlebt, prägt die Sorge verlassen zu werden auch im Erwachsenenalter meist noch unsere Beziehungen.

Unsicher-ambivalent gebundene Menschen neigen zu besonders intensiven Gefühlen, sie suchen in Beziehungen immer wieder nach Nähe und verlangen Beweise dafür, geliebt zu werden. Unsichere Bindungstypen neigen zu einer erhöhten Sensibilität für negative Botschaften (egal ob verbal oder non-verbal) wichtiger Bezugspersonen. Sobald sie eine Spur von Distanz wahrnehmen, neigen sie zu Kampfreaktionen, die in Wahrheit ihren Partner/ihre Partnerin zu mehr Aufmerksamkeit und beruhigender Unterstützung bewegen sollen, aber natürlich oft das Gegenteil bewirken.

Vermeidende Bindung

Vermeidende Bindungstypen neigen dazu, ihre Gefühle herunterzuspielen und lassen aus Angst verletzt zu werden oder von anderen abhängig zu sein, echte Nähe kaum zu. Sie unterdrücken ihren Wunsch nach Bindung meist und versuchen echte Nähe gänzlich zu vermeiden, da sie in der Bindung zu anderen eher eine Gefahrenquelle statt Sicherheit und Trost sehen. Statt zu Kampfreaktionen, wie die unsicheren Bindungstypen, neigen sie zu Fluchtreaktionen sobald sie ihr Gegenüber als feindselig, gefährlich oder gleichgültig wahrnehmen. Sie gehen beim kleinsten Anzeichen von Verletzlichkeit, egal ob bei sich selbst oder ihrem Partner/ihrer Partnerin, auf Distanz um so Frustration und Schmerz zu dämpfen.

Desorganisierte Bindung

Ein desorganisiertes Bindungsmuster ist in der Regel auf eine Traumatisierung durch eine Bindungsperson zurückzuführen. Diese Bindungstypen zeigen keine erkennbaren Bewältigungsstrategien, schwanken zwischen Sehnsucht und Furcht, einem Verlangen nach Verbundenheit und einer darauffolgenden Distanzierung oder Angriff. Ihr Verhalten ist unerwartet, schwer abschätzbar und häufig paradox. Sie erstarren und zeigen oft ein hilflos-ohnmächtiges Verhalten. Bei Erwachsenden wird dieser Bindungstyp als ängstlich-vermeidend bezeichnet und verursacht in Bindungen leider meist erhebliches Leid.

Bindungstheorie: Die vier Bindungstypen

Diese Prägung unseres grundlegenden Bindungsmusters beeinflusst unsere Beziehungen, wie schon gesagt, noch weit über die Kindheit hinaus. Unser Bindungstyp wirkt sich nicht nur darauf aus, wie wir uns selbst und andere sehen, sondern auch darauf welche grundlegenden Bedürfnisse wir haben, wie wir unsere Gefühle regulieren, welche Erwartungen wir in Liebesbeziehungen haben und wie wir letztendlich in zwischenmenschlichen Beziehungen reagieren und interagieren.

Sue Johnson, die Begründerin der Emotionsfokussierten Therapie, kam in ihren Studien und Beobachtungen zu der Erkenntnis, dass manche Bindungstypen nicht sehr gut harmonieren. Besonders schwierig sind ihrer Meinung nach Beziehungen zwischen zwei Vermeidenden, und auch zwei stark unsicher/ängstliche Bindungstypen ergeben ihrer Meinung nach kein besonders gutes Paar. Sehr verbreitet sind hingegen Kombinationen aus einem unsicher/ängstlich und einem vermeidenden gebundenen Partner. Viele unsicher/ängstliche oder vermeidende Bindungstypen finden ihr Glück auch in der Beziehung mit einem sicher gebundenen Partner. Die größte Zufriedenheit und Stabilität erleben allerdings zwei sichere Bindungstypen, da hier beide Partner emotional verfügbar und reaktionsfähig sind.

Bindungstypen in der Paartherapie

In der Paarberatung ist es entscheidend, dass wir die individuellen Bindungsstile jedes Partners verstehen, da sie einen großen Einfluss auf unsere Beziehungsdynamik haben können. Mein Ziel in der Beratung ist es, meine KlientInnen dabei zu unterstützen, ihre eigenen Bindungsmuster zu erkennen und die Dynamik in der Partnerschaft so besser zu verstehen. Gemeinsam können wir die zugrunde liegenden Bedürfnisse und Ängste erkunden, die das jeweilige Verhalten beeinflussen.

Denn die gute Nachricht für alle Paare ist, dass Bindungstypen zwar grundsätzlich zur Beständigkeit neigen, aber unsere Bindungsmuster dennoch veränderbar sind. Insbesondere durch therapeutische Interventionen und bewusste Bemühungen kann es gelingen neue Wege zu finden, die Kommunikation zu verbessern, Empathie füreinander zu entwickeln und ein tieferes gegenseitiges Verständnis füreinander aufzubauen.

Quelle: Sue Johnson, Liebe macht Sinn; Sue Johnson, Bindungstheorien in der Praxis;  https://intrapsychisch.de/bindungstheorie-john-bowlby-und-mary-ainsworth/ 

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