The book of love: Warum wir unser Leben lang nach Verbundenheit suchen.

“The book of love is long and boring
No one can lift the damn thing
It's full of charts and facts, and figures
And instructions for dancing…”

Peter Gabriel

 

Ich liebe den Song „The book of love“ von Peter Gabriel, weil so viel Wahrheit darin steckt, so viel Schwere und so viel Leichtigkeit. Seit Jahrhunderten versuchen Forscher, Wissenschaftler, Psychologen, Philosophen etc. die Liebe zu verstehen und zu beschreiben.

Es gibt unzählige Studien, Tests, Statistiken und Ratgeber rund um das Thema, und dennoch ist der Tanz, den wir mit unseren Liebsten tanzen, einzigartig - einmal langsam, einmal schnell, manchmal auch langweilig und dann wieder zu hektisch und chaotisch. Manchmal fügen sich unsere Bewegungen geschmeidig ineinander und wir drehen uns in perfekter Harmonie, und an anderen Tagen steigen wir uns nur gegenseitig auf die Füße und können unseren gemeinsamen Rhythmus einfach nicht finden. 

Beziehungen im Wandel der Zeit

Geschichten über die Liebe gibt es schon unendlich lange. Tatsächlich hat sich die Bedeutung der Liebe für unsere Beziehungen und Ehen aber erst Mitte/Ende des letzten Jahrhunderts drastisch zu verändern begonnen. Bis dahin war Liebe eher Luxus, eine Zerstreuung, oft genug auch ein Risiko. Was zählt, waren praktische Gründe wie Nahrung, Unterkunft und Schutz, die im Idealfall durch eine Familie gegeben waren. Und natürlich spielten auch Macht und Reichtum, sowie Nachkommen, die etwaigen Besitz erben oder bei der Arbeit helfen konnten, eine Rolle bei der Partnerwahl. Dank der zunehmenden finanziellen Unabhängigkeit von immer mehr Frauen, wandelte sich die Ehe aber schließlich von einem ökonomischen zu einem „emotionalen Vorhaben“, wie der Soziologe Anthony Giddens es nennt.

So kam zu unseren Erwartungen an den idealen Partner bzw. die ideale Partnerin neben der Sicherung der Grundbedürfnisse, der Fortpflanzung und der Sicherung von Macht und Wohlstand auch noch die Hoffnung nach romantischer Liebe, bis dass der Tod uns scheidet…

Über unser Bedürfnis nach Bindung

Parallel zu den steigenden Ansprüchen an die ideale Partnerschaft, findet in unserer Gesellschaft auch noch eine andere Entwicklung statt – vor allem in Großstädten werden die Menschen generell immer einsamer, immer mehr Leute leben alleine, die Familie lebt verstreut in alle Himmelsrichtungen (während wir in Rumänien leben, wohnt unsere engste Familie in Österreich, England und Panama), wir führen Fernbeziehungen, Freunde treffen wir immer öfter auch online statt im Kaffeehaus, schon die Kinder spielen teilweise mehr online als offline mit ihren Freunden, und manch findet sogar seine Liebe im WorldWideWeb… Wir ziehen uns also selbst immer mehr zurück. Zahlreiche Studien bestätigen allerdings, dass wir Menschen enge Bindungen brauchen, von Geburt an und bis ans Ende unserer Tage. Wir sind von Natur aus eine soziale, in Beziehungen lebende, auf Bindung angewiesene Spezies. Und das Bedürfnis, sich anderen verbunden zu fühlen, prägt nicht nur unser Verhalten, sondern auch unsere Reaktionen auf Stress, unser Gefühlsleben im Alltag sowie unsere persönlichen Probleme und Herausforderungen ein Leben lang.

Wir sehnen uns nach dem Gefühl gemocht und geschätzt zu werden, das gibt uns Sicherheit und Selbstvertrauen.

Gerade heute, in einer Welt, in der Themen wie die Klimakrise, Krieg, Naturkatastrophen, die Pandemie uvm. uns Angst machen und Sorgen bereiten und viele tagtäglich mit Stress und Überforderung konfrontiert sind, sind Bindungen für uns wichtiger denn eh und je.

Wenn wir dieses Gefühl der Verbundenheit, das wir so sehr brauchen, nicht auch bei unserer Familie, unseren Freunden oder auch freundlichen Nachbarn und hilfsbereiten Arbeitskollegen stillen können, lastet quasi der ganze Druck auf unserem Partner. Und ich sage „lasten“, denn es kann tatsächlich eine Last darstellen, alleine als Ansprechperson für die Bedürfnisse des Partners/der Partnerin da zu sein. Letztendlich kann es in der Beziehung auch zu einer völligen Überlastungssituation kommen, wenn es über einen längeren Zeitraum nur diese eine Möglichkeit zur Befriedigung unserer emotionalen Bedürfnisse gibt. Der Tanz der Liebe verliert dann zunehmend an Leichtigkeit, und statt über die Tanzfläche zu schweben, zerren und schieben wir, bis wir schließlich gänzlich aus dem Takt kommen.

Wenn die Liebe langsam erlischt

Im Idealfall sind wir also eingebettet in einem Netz aus Familie, Freuden, Nachbarn und Kollegen und erleben so immer wieder Verbundenheit im Alltag. Nichtsdestotrotz ist allerdings die Bindung, die wir in unserem sozialen Umfeld erleben, nie so stark, wie die Bindung zwischen Liebenden. „Egal, wie nahe wir uns stehen, Freunde können nicht die Fürsorge und Verbindlichkeit, das Vertrauen und die Sicherheit aufbringen, die unter echten Liebenden herrscht.“, schreibt Sue Johnson. Jeder der schon einmal glücklich verliebt war, weiß das.

Umso schmerzhafter ist der gefühlte Verlust der Bindung in einer Beziehung. Wenn Partner das Gefühl haben, die Bindung zueinander zu verlieren, können verschiedene negative Dynamiken auftreten, die sich auf die Beziehung auswirken:

  1. Emotionale Distanzierung: Partner können sich aus unterschiedlichsten Gründen emotional voneinander distanzieren. Das kann in weiterer Folge zu einem Mangel an Intimität, Verständnis und emotionaler Verbindung führen.

  2. Zunahme von Konflikten: Die fehlende emotionale Bindung kann zu einem Anstieg von Konflikten führen, da die Partner Schwierigkeiten haben, sich auf eine positive Weise zu verbinden und Konflikte konstruktiv zu bewältigen.

  3. Gefühl von Einsamkeit: Das Fehlen einer starken emotionalen Verbindung kann zu einem Gefühl der Einsamkeit bei einem oder beiden Partnern führen, selbst wenn sie physisch zusammen sind.

  4. Negative Interaktionsmuster: Infolge des Bindungsverlusts können negative Muster entstehen, wie etwa Rückzug, Kritik oder Abwehr, die die Kommunikation weiter beeinträchtigen - ein Teufelskreis.

  5. Geringeres Vertrauen: Ein Verlust der emotionalen Bindung kann das Vertrauen zwischen den Partnern beeinträchtigen, was zu Unsicherheiten und Misstrauen führen kann.

  6. Risiko für Trennung: In extremen Fällen kann der gefühlte Bindungsverlust das Risiko einer Trennung oder Scheidung erhöhen, da die Partnerschaft als unerfüllend oder nicht unterstützend empfunden wird.

Beziehungscoaching: Negative Dynamiken durchbrechen

Viele der oben beschriebenen negativen Dynamiken schleichen sich langsam in unsere Beziehung ein. Eine Zeit lang können wir sie ignorieren, vielleicht auch damit umgehen, aber irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem wir uns eingestehen müssen, dass wir unglücklich sind, einsam, vielleicht sogar verzweifelt und hoffnungslos. Aber wo einmal Liebe war, kann auch wieder Liebe entstehen, wer einmal im Gleichklang war, kann auch wieder einen gemeinsame Rhythmus finden.

Eine Paartherapie oder Paarberatung kann in einer Beziehungskrise helfen, negativen Muster zu durchbrechen und die emotionale Bindung wiederherzustellen. Dabei werden die individuellen Bedürfnisse, Ängste und Emotionen jedes Partners herausgearbeitet. Ein(e) BeraterIn kann Paaren dabei unterstützen, ihre Gefühle besser zu verstehen und zu kommunizieren. Durch das Erkennen und Verarbeiten von Emotionen können negative Interaktionsmuster durch positive und unterstützende ersetzt werden. Der Fokus liegt während der Paarberatung darauf, wieder eine sichere emotionale Basis in der Beziehung zu schaffen, um die Verbindung wieder zu stärken und eine erfülltere Beziehung zu schaffen.

Ist einer der beiden Partner nicht bereit, sich auf eine Paarberatung einzulassen, kann oftmals auch ein Beziehungscoaching im Einzelsetting Anstoß zur Veränderung geben. Zu dem Teufelskreis aus negativen Verhaltensmuster gehören immer zweit, und sobald einer der beiden Partner aussteigt und sein Verhalten ändert, gibt es eine Änderung im ganzen System…

Quellen: Brené Brown, Entdecke deine innere Stärke; S. Johnson, Liebe macht Sinn & Bindungstheorie in der Praxis

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Wie Bindungsmuster entstehen und was das für unsere Partnerschaft bedeutet